Süddeutsche Zeitung, Juli 2015


Süddeutsche Zeitung, Juli 2015

Ein fulminanter Auftakt

Besser hätte das Flussfestival in Wolfratshausen nicht beginnen können: Sommer-Sonne-gute-Laune-Atmosphäre und ein Helmut Schleich in kabarettistischer Bestform

(...) Die Wasserfontäne in der Loisach verstummt - Bühne frei für den Protagonisten der Auftaktveranstaltung, Helmut Schleich. Und wenn noch etwas fehlte an diesem perfekten Abend, dann Schleich, der zur Atmosphäre das Hirn und den Humor beisteuert: Blitzgescheit, brillant und herrlich abseitig. Sein sechstes Soloprogramm "Ehrlich" ist sein bissigstes. Altbekannte Figuren aus seinem Typenuniversum dürfen ordentlich vom Leder ziehen.

Der Gesangslehrer von Marika Rökk zum Beispiel, Heinrich von Horchen, in Zylinder und weißem Schal. Nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit, aber gesegnet mit der Freiheit des Alters, wettert er schonungslos über Demokratiedefizite in der EU, NSA-Skandal und Griechenlandkrise. Versucht des starken Speichelflusses und widerspenstiger Wörter Herr zu werden. Redet sich in Rage über die "Knalltüten in der EU-Kommission" und gibt seine Interpretation der Griechenland-Krise: Die größte Frechheit der griechischen Regierung sei doch gewesen, dass sie nach der Wahl das umsetzen wollte, was sie vorher versprochen habe. "Klar, dass da ein Schäuble sagt, "so geht das nicht in einer Demokratie."

Wunderbar auch seine Kulturgeschichte der Spionage: Zu Zeiten Mata Haris hätten Gespräche mittels Wachswalzen ("Wat-Wax-Wachswalzen") aufgezeichnet werden müssen. Eine hoch komplizierte Technik, gerade in den Sommermonaten. "Die Spionagesaison ging nur von September bis April." Dass Schleich der bessere Franz Josef Strauß ist, ist bekannt. Am Freitag rechnet er "postum und ad hoc" mit seiner CSU ab: Seehofer, der 130 Millionen für einen Gipfel ausgeben habe, zu dem er nicht einmal eingeladen gewesen sei. Generalsekretär Andreas Scheuer, "das ist keine Phrasendreschmaschine, sondern ein Worthülsenvollernter". Verkehrsminister Alexander Dobrindt, der auch lichte Momente habe. "Als es im Bundestag hieß, die schwarze Null steht, da ist der Dobrindt einfach sitzen geblieben."

Bei den Tiraden über Edmund Stoiber schluckt der Wolfratshauser: Stoiber, der "sprechende Aktendeckel", der "bayerische Kamillenteesieder und "Hoeneß-Arschkriecher" - da geht ein Raunen durchs Publikum. "Empören Sie sich doch nicht schneller, als Sie denken können", poltert Strauß-Schleich. Und was sei überhaupt aus seinem schönen Bayern geworden? Folklore, ein Phantombild, vom BR kultiviert: "Ein riesiges Freiluftmuseum, ausgestorbene Berufe, unverständliche Dialekte und mitten drin ein Promikoch, der Weißwürste paniert."

Die Typen wechseln, die Doornkaat-Schorle bleibt. Selten braucht er ein Requisit, meist genügen ihm Mimik, Gestik, Körperhaltung und Dialekt, um aus dem dimpfligen Stammtischbruder den dubiosen Milizionär einer russischen Teilrepublik oder die "Bestie von Doddlbach" zu machen. Besser geht's nicht - ganz ehrlich.

VON PETRA SCHNEIDER


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